Wir geben Ihnen im Marktkommentar einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten.
„Goldilocks“ - nicht zu heiß und nicht zu kalt…
… genau so lässt sich der aktuelle Zustand der amerikanischen Wirtschaft gut charakterisieren. Derzeit sieht es ganz danach aus, als ob sich die US-Ökonomie in einem sogenannten „Goldlöckchen-Szenario“ befindet.
Dieses nach dem Märchen „Goldlöckchen und die drei Bären“ benannte Szenario beschreibt, bezogen auf die Welt der Wirtschaft, die perfekte Mitte. In diesem Zustand der perfekten Mitte ist das Wachstum der Wirtschaft weder zu hoch - Gefahr inflationärer Tendenzen - noch zu niedrig - Gefahr einer Rezession, die Inflation gering bzw. weiter fallend und die US-Zentralbank kann folglich die Zinsen langfristig niedrig halten. Eben wie im Märchen, in dem der Haferbrei weder zu heiß noch zu kalt ist.
Zumindest auf den ersten Blick unterstützt der Zinssenkungszyklus, der im vergangenen Monat nun auch in den USA eingeleitet wurde, dieses Szenario. Gelten doch sinkende Zinsen - respektive eine lockere Geldpolitik - grundsätzlich als jene schmackhafte Zutat, die sich Aktieninvestoren*innen weltweit wünschen. Für sich allein betrachtet, sind sie aber nicht zwangsläufig ein Grund zum Feiern. Denn, sofern Zinssenkungen vorwiegend als Reaktion auf eine wirtschaftliche Schwächephase erfolgen, sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Oft aber ist genau dies der Grund, warum Notenbanken die Zinsen deutlich nach unten drücken. Als Beispiele seien das Platzen der Technologieblase Anfang des Jahrtausends, die Finanzkrise 2008/09 und der Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 in Erinnerung gerufen. In all diesen Fällen galten stark fallenden Zinsen als Ultima Ratio, um auf den drastischen Einbruch der Konjunktur, begleitet von deutlich fallenden Unternehmensgewinnen, angemessen reagieren zu können. In diesen Phasen waren Zinssenkungen nur ein schwacher Trost für Investoren*innen an den Aktienmärkten. Erst als die deutlich nach unten geschraubten Zinsen ihre volle Wirkung entfalten konnten und die Konjunktur begann wieder Tritt zu fassen, stiegen auch die Unternehmensgewinne und Aktienkurse wieder an.
Für die USA erwarten die Marktteilnehmer*innen derzeit einen Rückgang des Leitzinses auf rund drei Prozent innerhalb der nächsten zwölf Monate. Das sind rund zwei Prozentpunkte weniger als heute, was nur dann realistisch erscheint, wenn die Inflation auch in den nächsten Monaten ihren disinflationären Pfad beibehält, d.h. weiter fallende Inflationsraten zu erwarten sind. Ansonsten würden die Notenbanker*innen ihre Glaubwürdigkeit bei der Inflationsbekämpfung verlieren. Fällt die Inflation, weil die Wirtschaft schwächelt oder es gar zu einer Rezession mit einbrechenden Unternehmensgewinnen kommt, wäre die Erwartung stark fallender Zinsen ein schlechtes Omen für den Aktienmarkt.
Aktieninvestoren*innen, die auf sinkende Zinsen hoffen, hegen also insgeheim die Erwartung eines „Goldilocks“-Szenarios, das sich durch eine fallende Inflation trotz robustem Wirtschaftswachstum und soliden Unternehmensgewinnen auszeichnet; also kurzum, die beste aller Welten, oder wie schon eingangs erwähnt; nicht zu heiß und nicht zu kalt. Wie lange dieser märchenhafte Idealzustand weiterhin aufrechterhalten werden kann, werden wir in den kommenden Monaten sehen.
Autor:
Mag. Andreas Brunbauer, CEFA, CFTe, CPM
Kapitalmarktstratege
Stand: 1. November 2024
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